Samstag, 15. Oktober 2016

My Perception is my Reality

Wir brauchten eine Auszeit vom Segeln. Sich über Monate jeden Tag mit Wind, Wetter, Tide und der Suche nach einem Übernachtungsplatz auseinander zu setzen, braucht viel Kraft und Ausdauer. Wir freuen uns darüber, es hier in Vigo einfach ruhig angehen zu lassen und die Tage zu geniessen, wie sie kommen.

Auszeit bedeutet auch Aus-Zeit, ja, wir sind irgendwie aus der Zeit gefallen, unsere Reise ist jetzt viel weniger zielorientiert. Ich fühle mich, wie wenn ich aus dem Schnellzug des Lebens an einem unbekannten Bahnhof ausgestiegen wäre und mich verwundert umblicke. Ver-wundert, von Wunder durchwirkt! Erst in den letzten Tagen wurde mir bewusst, dass sich im Kopf eben doch sehr viel verändert hat, seit wir die Schweiz verliessen. Durch die Aufgabe unseres Wohnsitzes in der Schweiz wurde es mir möglich, mich auf unsere wechselnden "Wohnorte" einzulassen, ohne ständig vergleichen zu müssen. Und siehe da: andernorts ist auch gut! Wie gut gefiel es uns in Schweden, Norwegen, Shetland, Schottland, Irland Frankreich, Spanien....

Jeder Ort hat seinen eigenen Geschmack, seine eigene Tonart, und wenn wir einmal davon ausgehen wollen, dass "Realität" ein Konglomerat aus Aussenwelt (Umgebung) und Innenwelt (Stimmung) ist, so erstaunt es kaum, dass sich wechselnde Orte auch als unterschiedliche Realitäten manifestieren können. Natürlich bin ich an einem anderen Ort nicht ein vollständig anderer Mensch, aber das Leben in einer anderen Gegend, einem anderen Land, lockert das Denken schon auf! Ich sehe jetzt, dass sich "Leben" nicht zwingend so abspielen muss, wie ich in den vergangenen 30 Jahren dachte. Oft stelle ich mir auf unserem täglichen Spaziergang die Frage, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich in dieser Stadt oder jenem Haus aufgewachsen wäre, und nicht wohlbehütet in der Schweiz. Solche Gedankenspiele lassen ganz schnell Zweifel am "freien Willen" aufkommen und ja, die eigene Meinung, die Ansichten über die Welt, können durchaus hinterfragt und neu überdacht werden. Nicht dass ich zu radikal neuen Ansichten oder Erkenntnissen gekommen wäre, aber eine neue Flexibilität, eine grössere Bereitschaft auch andere Sichtweisen zu übernehmen, oder mindestens zu berücksichtigen, hat sich schon entwickelt.

Unser Alltag ist sehr angenehm. Natürlich nehmen duschen, einkaufen und das Organisieren des Tagesablaufs mehr Zeit in Anspruch als an Land , aber Zeit haben wir ja genug. Liisa findet Zeit ihrem Hobby nachzugehen und ich spiele wieder viel mehr Flöte, zur Zeit beschäftige ich mich mit den Trios von Haydn.



Vigo ist eine Reise wert! Es gibt hier eine lebendige Innenstadt und viele Jugendstil-Bauten. Leider sieht man viele Schilder "se alquila", "se vende" (zu vermieten, zu verkaufen), auf vollen Touren läuft die Wirtschaft offenbar nicht.




Wir besuchen das Museum der zeitgenössischen Kunst, ein sehr interessantes Gebäude. Wir geben uns auch Mühe, die ausgestellten Video-Installationen zu verstehen.





Für den einen hängt der Himmel voller Geigen - für den anderen voller Schweinebeine...




Morgen kommt das Gummiboot 'raus, wir sind reif für die Insel! Die Islas de Cies rufen, und am Mittwoch geht's dann Richtung Baiona und Portugal.


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