Freitag, 23. November 2018

Ich bin ein Europäer



Mein Herz blutet. Die Vision "Europa", einst Hoffnungsschimmer für die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts, droht sich im Kleingeist des Populismus und der Pest des Nationalismus aufzulösen.

In den letzten drei Jahren lebte ich in zehn verschiedenen europäischen Ländern und wurde natürlich auch mit Mängeln und Fehlentwicklungen dieses riesigen Projektes konfrontiert. Aber es lebte sich überall gut in dieser "Grossbaustelle", die Menschen hatten Arbeit, ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, moderne Kleidung und ein Handy. Es findet sich in jedem politischen System ein Verbesserungspotenzial, wenn man sucht, findet man überall Fehler und auf keinen Fall halte ich den jetzigen Zustand für vollständig befriedigend. In der heutigen Politik fehlen aber Visionäre, welche die Entwicklung beflügeln und Europa in die Zukunft führen wollen. Im Gegenteil: den Menschen werden Verlustängste eingeredet, die Migration dient als Drohkulisse für die eigene politische Agenda und anstatt dieses grosse Problem gesamteuropäisch, pragmatisch anzupacken werden die eigenen Wähler instrumentalisiert. Die Vision "Europa" als friedensstiftende, Völker verbindende Institution wird auf dem Altar des Dauerwahlkampfes geopfert, das politische Klima wird polarisiert und ein lösungsorientierter Konsens immer schwieriger.

In der Schweiz wird dieses Wochenende über die "Selbstbestimmungs-Initiative" abgestimmt. Vordergründig geht es um ein juristisches Gerangel über internationale Verträge, "the elephant in the room" ist aber, wie immer wenn die Partei mit den einfachen Lösungen auf den Plan tritt, die Europäische Gemeinschaft. Konservative Kreise bewirtschaften ihre Wähler ohne Unterlass mit Untergangsvisionen, die direkte Demokratie wird zur heiligen Kuh, der "selbstbestimmte Weg" zum leuchtenden Pfad.

Der nationale Alleingang kann aber auch zum Gang in die Dunkelheit werden.



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