Sonntag, 29. März 2020

Aus der Zeit gefallen

Ich muss mir gelegentlich selber vorwerfen oft in der Zukunft zu leben. An verrückten Ideen und Plänen mangelt es mir nicht - und plötzlich geht nichts mehr. Hier in Portugal ist die totale Ausgangssperre, d.h. man soll zuhause bleiben, nur notwendige Besorgungen dürfen ausser Hauses erledigt werden. Lautsprecherwagen fahren durch die Stadt und verkünden "state of emergency - be responsible - stay at home", die Stadt ist wie ausgestorben. Diszipliniert sind sie schon, die Portugiesen, und Touristen sind gar keine mehr hier. Wie es weitergeht mit der Segelreise und der Rückführung des Campers - keine Ahnung. Die Zukunft ist irgenwie abgeschnitten, ein seltsames Gefühl...

Die Marina, wo sonst "party time" ist, sieht jetzt so aus. Bis auf den Kiosk ist alles geschlossen.



Lebensmittel können wir noch ausreichend einkaufen, kurze Spaziergänge in der Umgebung sind zu zweit noch möglich, hingegen wurde der Strand kurzerhand geschlossen, um Zustände wie in Cascais zu verhindern. Dort entwickelte sich ein intensives Strandleben, weil die Menschen die Quarantäne nutzten um in Massen an die Praya zu gehen, kein sinnvolles Verhalten. Hier in Lagos war der Strand aber immer leer, eine grosse Ansteckungsgefahr gäbe es am Meer eigentlich nicht, aus diesem Grund ist die Massnahme schwer zu verstehen. Und Liisa ist darüber "not amused!"

Wir dürfen uns aber gar nicht beklagen, die Sonne scheint und wir pusseln jeden Tag ein bisschen an der "Lotta" herum, die immer schöner und sauberer wird. Ob wir sie dieses Jahr überhaupt noch einmal segeln können? Freunde von uns hat's aber viel schlimmer erwischt, die hängen in Südamerika mit ihrem Boot an einer Boje und dürfen wegen der Quarantäne nicht an Land... und wissen auch nicht wie's weiter geht.

Wir machten heute einen netten Spaziergang auf den nahen Hügel, an den Strand durften wir, wie gesagt, nicht. Auf dem Rückweg kamen wir am alten Bahnhof vorbei, dem Bahnhof von dem Mani Matter wohl gesagt hätte, das sei der Bahnhof "wo der Zug schon lange abgefahren - oder noch nicht angekommen ist..."


Dort gibt es einen Lok-Schuppen der mir sehr gefällt, ich habe schon vor Jahren ein paar Bilder davon in den Blog gestellt. Kürzlich wurde hier gerodet und aufgeräumt, der alte Bahnhof wurde verkauft. Ich fürchte diese Zeitzeugen aus der Blütezeit der portugiesischen Eisenbahn werden bald verschwinden.



Etwa so fühlt sich die Zeit hier an...



Jetzt nur nicht weinerlich werden: ich hab' gestern in der Zeitung gelesen, die Corona-Krise sei das erste Ereignis, welches die Baby-Boomer (ja, so alt bin ich schon!) direkt betreffe. Das stimmt eigentlich, ich gehöre wirklich zur Generation der Verschonten. Und deshalb bemühe ich mich jetzt besonders bewusst in der Gegenwart zu leben.

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